„Das Leben ist etwas Geschenktes“:Pro und Contra aktive Sterbehilfe
Bückeburg (mm-20.03.15). Auf Einladung der Senioren-Union Bückeburg haben etwa 110 Besucher an einer Diskussion über „Pro und Contra aktive Sterbehilfe“ im Le-Theule-Saal des Rathauses teilgenommen. Sie erlebten einen Austausch von Argumenten auf hohem Niveau, ohne dass sich die Referenten ins Wort fielen oder an Lautstärke übertrumpfen wollten – also ganz anders als im Fernsehen dieser Tage. „Ziel dieser Veranstaltung soll es sein, dass jeder zu einem Werturteil bei diesem ernsten Thema kommt“, meinte Friedrich Pörtner, Moderator und Vorsitzender der Senioren-Union.
Wesentlich zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben die beiden Referenten, Axel Sandrock aus Hagenburg, Pastor und Leiter des diakonischen Werkes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, und Peter Puppe, Sonderschulrektor i.R. und aktiver Sterbebegleiter aus Bremen. Sandrock betonte gleich zu Beginn, dass die Kirche bei diesem Thema keine moralische Position mit erhobenem Zeigefinger bezieht. „Das Leben ist etwas Geschenktes, damit muss man sorgfältig umgehen und kann von sich aus keine Grenze setzen“, so der Pastor.
Es gebe Menschen mit unerträglichem Leid und jahrelangem Siechtum, die lieber heute als morgen gehen wollen. Für sie gebe es neben der Sterbehilfe eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, so medizinische Fortschritte und Hospizeinrichtungen, die das Sterben zulassen. Für Sandrock ist es eine „Horrorvorstellung“, wenn einem alten Menschen, ein Privatpatient, von seinem Arzt ein Honorar abgenommen wird, damit er den Betroffenen an einen Kollegen weiterreicht, der dann den „letzten Cocktail mischt“.
Wer glaubt, nicht anders zu können und Hilfe in Anspruch nimmt, handele nicht gegen die Bibel und werde nicht von der Kirche verdammt („du bist kein schlechter Mensch“). Es müsse, so Axel Sandrock, ein würdevolles Sterben geben, aber „ich bin gegen ein Sterbenlassen unter ärztlicher Mithilfe“.
Peter Puppe berichtete von einer Begegnung vor zehn Jahren mit einem 90-Jährigen, mit dem er über Gott und die Welt und alle Sterbemöglichkeiten gesprochen habe. „Ich bin nicht maßgebend, bin froh, wenn ich sterben darf – die Jüngeren werden es nicht verstehen“, habe der Mann zu ihm gesagt. Mehrere Versuche mit Schlaftabletten, Zäpfchen, Äther und Plastiksäcken haben nicht den gewollten Erfolg gebracht. „Es gibt doch keinen Zwang zum Leben – oder? Jedes Tier kann erlöste werden, warum nicht der Mensch, bin ich weniger wert?“, waren die Fragen an Puppe. In anderen europäischen Ländern sei es einfacher, einen Giftbecher zu bekommen, gibt es keine rechtliche Grauzone für die aktive Sterbebegleitung.
„Der Mensch sollte das Recht haben, über sein Leben zu entscheiden, wenn er es nicht mehr lebenswert findet“, meinte ein Zuhörer. Man müsse etwas kaufen können, um es für sich selbst zu verwenden; in einer ausweglosen Situation sei ein würdevoller Tod besser als Erhängen.
Axel Sandrock zeigte auf, dass es mit einer Patientenverfügung in der Hand schwierig sein kann, „Ja“ zu sagen, wenn man vom Notarzt gefragt wird, ob man will, dass jemand stirbt. Sterbenlassen erfordere dann eine Menge Mut, „dem Notarzt den Sterbenden aus den Händen zu reißen“.
Peter Rohde, Richter am Landgericht, wies auf die Euthanasie-Vergangenheit in diesem Land hin. „Das war Mord der Nazis, es hat kein Einverständnis der Opfer vorgelegen“, erwiderte Puppe darauf. Rohde zeigte dann die Gefahren des Missbrauchs als Folge einer gesetzlichen Regelung der aktiven Sterbehilfe auf. Zum einen erinnerte an die Taten des Pflegers in Delmenhorst und wies auf die finanziellen Interessen der Erben hin. Zum anderem seien zahlreiche Koma-Patienten wieder gesund aufgewacht. „Der Lebenswert der Menschen darf nicht immer weiter abqualifiziert werden“, sagte Rohde.
„Gesundheit erhalten, Krankheiten heilen, Leiden lindern, aber nicht töten“, erläuterte Dr. Axel Rinne die Position der Ärzte. Ein Sterbenlassen sei erlaubt. „Die Ärzte sind nicht gefragt, es geht um das Selbstbestimmungsrecht des Menschen“, antwortete Puppe.
Friedrich Pörtner berichtete am Rande der Diskussion stolz über aktuell 160 Mitglieder der Senioren-Union Bückeburg. Für 2,50 Euro im Monat kann man dabei sein und muss kein Mitglied der CDU sein.
Foto: Axel Sandrock (l.) und Peter Puppe
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