„Mit weniger Leuten mehr Aufgaben bewältigen“Polizeifachtagung im Hubschraubermuseum
Bückeburg (mm-11.06.15). Zu Beginn einer Polizeifachtagung für die Region Hameln, Schaumburg und Nienburg erinnerte der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Becker an die letzte Tagung vor etwa zweieinhalb Jahren, als die SPD Niedersachsen versprochen hatte, einige Weichen neu stellen zu wollen, um auf dem Weg zur Bürgerpolizei voranzukommen. Eine bürgerorientierte Polizei mit den Grundrechten der Bürger im Fokus ihrer Arbeit sei das Ziel. Mit der „Strategie 2020“, der Novellierung des Polizeigesetzes, der Abschaffung des A 11-Erlasses und der Schaffung von 1.500 zusätzlichen Beförderungsmöglichkeiten nach A 10 und A 11 sei man ein gutes Stück vorangekommen.
Landespolizeidirektor Knut Lindenau dankte der Landesregierung dafür, „dass Castor- und ähnliche Einsätze voll vergütet werden“. Lindenau ging auf die Vorgänge bei der Bundespolizei ein und wies darauf hin, „dass die Unschuldsvermutung gilt“, man nicht generalisierend urteilen solle und er auf eine rechtsstaatliche Aufklärung vertraue.
In Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen die Polizei Hannover, die 15 bis 20 Jahre zurückliegen, sei eine „gravierende Strukturreform“ gefordert worden. Der Reformbedarf sei aber, so Lindenau, schon von einem Ministerpräsidenten Schröder und einem Innenminister Glogowski in 1993 erkannt und die Reformen in 1994 umfassend umgesetzt worden. Die „Strategie 2020“ müssen von allen gestaltetet werden. Zurzeit gebe es große Defizite und einen entsprechenden Fortbildungsbedarf bei Bekämpfung der „Cyber Crime“. Jeder Polizist in Niedersachsen müsse darüber ein Grundwissen haben.
Der Landespolizeidirektor lobte Innenminister Boris Pistorius, der „offen für alle Wünsche und ein Vorbild für alle Kräfte mit Führungsverantwortung“ sei. Es werde eine anonyme Mitarbeiterbefragung geben. Ein Teil davon wird eine „Vorgesetzten-Einschätzung“ sein („kein Teufelswerk“).
„Ihr habt einiges bewegt, vieles ist besser geworden, nicht alles ist gut“, bilanzierte Ralf Hermes, stellvertretender Vorsitzender der GdP Bezirksgruppe Göttingen. Er habe ein wenig Sorge um die Zukunft. „Immer weniger Leute müssen immer mehr Aufgaben bewältigen“, so Hermes. Er bat die Politik, „die Polizei so auszustatten, dass sie arbeitsfähig bleibt“.
Michael Schütte von der Polizeidirektion Hannover berichtete von der Haltung, „bei uns ist es besonders schlimm“. Es sei ein Problem, wenn der Gewaltbegriff immer mehr „ausfasert“, zum Beispiel das Fotografieren werden und die Unterschreitung von Distanzen als Gewalt empfunden werden. Im Steintorviertel sei es beispielsweise erforderlich, „mit Ruhe und Kompetenz zu agieren und nicht mit der Einstellung ‚alles wird schlimmer'“, so Schütte.
„Mit dem Innenminister lässt sich offen und ehrlich diskutieren, das Aufzeigen von Missständen ist möglich – die Polizei erfährt mehr Wertschätzung, auch wenn nicht alle Forderungen erfüllt wurden“, bilanzierte Dietmar Schilf, Niedersächsischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Haushaltsrestriktionen und Schuldenbremse würden einige Maßnahmen gefährden. Es sei keine Aufgabe einer Gewerkschaft, Forderungen mit Gegenfinanzierungsvorschlägen zu versehen.
Wilfried Korte, Leiter der Polizei Rinteln, zeigte auf, dass mit weniger Personal als 2004 die Belastungen für die Dienststelle erheblich ausgeweitet wurden und nannte beispielhaft häusliche Gewal“, Cyber-Crime, Begleiten von Schwertransporten auf der A 2, die Erfassung von Sachverhalten, Daten-Qualität, erkennungsdienstliche Behandlung („früher 15 Minuten, heute 30 Minuten“), Fußballeinsätze, Demonstrationen und Fortbildungsverpflichtungen. In seiner Dienststelle seien 4.400 Überstunden aufgelaufen. Er werde, so Korte, keineswegs nach mehr Personal rufen, glaube vielmehr, „dass wir mit einem Halten der gegenwärtigen Personalstärke gut bedient“ sind. „Mehr Arbeit, weniger Leute – das macht nicht gesund“, so Korte. „Die Polizei muss sich Gedanken machen, wo sie Schwerpunkte setzen und auf welche Aufgaben sie verzichten will“, so Karsten Becker.
Foto 1: Karsten Becker (MdL)
Foto 2: Ralf Hermes (l.) und Knut Lindenau
Foto 3: Michael Schütte
Foto 4: Dietmar Schilff (l.), r.: Michael Schütte
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