Wo schon Kaiser Wilhelm einst genächtigt hat„Tag des offenen Archivs“ bietet hochinteressante Einblicke
Bückeburg (sc-05.03.18). Während des „Tags des offenen Archivs“ am Sonntag im Landesarchiv, das Kleinste von insgesamt sieben Archiven in Niedersachsen, durften die interessierten Besucher einen Blick „hinter die Kulissen“ werfen und dem Leiter, Dr. Stefan Brüdermann, eine Menge Fragen stellen. Was vielleicht gar nicht so bekannt ist, dass jeder, der ein Interesse hat, durchaus Einblick in alte Unterlagen nehmen kann. Dazu meldet man sich z. B online auf der Seite des Niedersächsischen Landesarchivs an und darf dann in fast allen Aktenkatalogen recherchieren.
Im „Findbuch“ vor Ort sind alle Akten verzeichnet. Natürlich kann man auch online nach Informationen suchen, aber – wie Dr. Brüdermann humorvoll bemerkte: „Die Lektüre des Findbuches ist viel spannender, weil man oftmals Sachen findet, nach denen man gar nicht gesucht hat!“ Auch regionale Zeitungen sind archiviert. Heute erfolgt es überwiegend digital. Es ist auch gestattet, nach Anfrage, Unterlagen abzufotografieren, das ersetzt sozusagen das frühere Kopieren.
Unterschieden wird nach privatem Interesse, wenn man beispielsweise Familienforschung betreiben möchte. Diese Recherche ist kostenpflichtig und wird mit 10 Euro pro Tag berechnet. Recherchieren aufgrund öffentlichen Interesses, wie bei Heimatforschern oder in gerichtlichen Erbschaftsangelegenheiten, ist jedoch kostenfrei.
Interessant ist auch, dass im Findbuch nicht nach Autoren oder Namen, sondern nach Behörden, wie Amtsgericht, Landgericht, Stadt Bückeburg, etc. sortiert ist. Bei Fragen stehen jedoch die freundlichen Mitarbeiter des Archivs gern zur Verfügung,
Nicht alle Unterlagen können dennoch aufbewahrt werden. Die Staatsanwaltschaft Bückeburg schickt pro Jahr etwa 100 m Akten ans Archiv. Archiviert werden jedoch nur 1-2 % davon, mehr Möglichkeiten der Aufbewahrung gibt es gar nicht. Insgesamt sind in allen Archiven 100 km Akten gelagert, in Hannover allein schon 40 km und in Bückeburg immerhin 4,2 km Akten. Das sind 35.000 Karten und Pläne und 4.000 Urkunden.
Die Urkunden wurden damals noch auf Pergament geschrieben, die älteste Urkunde ist von 896. Da Pergament aus Tierhaut besteht und mit sehr haltbarer Tinte beschrieben wurde, werden die Urkunden noch die nächsten tausend Jahre – bei guter Lagerung! – überstehen. Gelagert werden sie in säurefreien Umschlägen und Kartons. Gesorgt wird von Seiten des Archivs für eine stabile Temperatur, die ungefähr bei 18 Grad Celsius liegt, sowie einer angenehmen Luftfeuchtigkeit.
Später, um das 14. Jahrhundert herum, wurde Papier aus Lumpen gemacht und noch später, in den 1840er Jahren, gab man zusätzlich Holz hinzu. Damit wurde das Papier jedoch säurehaltig und zerfällt mit der Zeit von allein. Das ist natürlich ein Riesenproblem. In Bückeburg hat man deshalb zusammen mit der Firma Neschen ein Verfahren entwickelt, massenhaft Papier zu entsäuern. Leider eine sehr langsame und teure Angelegenheit. Für den Katastrophenfall hat man allerdings eine Sicherungsverfilmung auf Mirofichen oder auch digital der Akten vorgenommen.
Besonders Kirchenbücher werden viel genutzt und sind heute vorwiegend digital oder als Microfiche einzusehen, um die Originale zu schützen. Wobei man erst 30 Jahre nach der letzten Einsehung die Unterlagen ansehen kann. Im Personenschutz gelten 10 Jahre nach dem Tod oder 100 Jahre nach der Geburt als Vorgabe.
Die Führung im Landesarchiv begann im Vorraum, wo sehr viele gelagerte Akten zu sehen waren. Dann begab sich das interessierte Publikum in den Kartenraum, der das ehemalige Prunkschlafzimmer ist. Und dort soll seinerzeit sogar Kaiser Wilhelm bei seinen Besuchen genächtigt haben. Heute nächtigen dort 35.000 Karten und Pläne. Meist kommen sie im gerollten Zustand an, was Dr. Stefan Brüdermann schon sehr schmerzt.
Im Archiv werden sie gefaltet oder ganz in Mappen gelagert. Besonders große Karten befinden sich hängend an einer Konstruktion, die man an der Decke befestigt hat. Auf die interessierte Frage eines Besuchers, ob man die alten Ortsbezeichnungen auf den Karten genau zuordnen könne, erwiderte Brüdermann, dass die älteste, sich dort befindliche Karte, aus dem 16. Jahrhundert stammt und man dort lediglich andere Schreibweisen benutzt habe, die sich aber gut zuordnen lassen. Als Beispiel holte er sodann eine alte Karte aus Bad Nenndorf hervor, so dass man eine Vorstellung von der Art einer Karte bekommen konnte.
Die letzte Station der Führung war der Lesesaal. Dort kann man die Findbücher finden und sich die gewünschten Informationen einlesen. Auch die Microfiche und digitalen Akten sind dort gelagert. Dr. Stefan Brüdermann berichtete, dass besonders gern „Reichsbürger“ kämen, um die „Gründungsurkunde des Landes Niedersachsen“ zu sehen. Die gibt es natürlich nicht, aber da sowohl das Land Niedersachsen, als auch das Archiv existieren, ist davon auszugehen, dass wir uns tatsächlich in Niedersachsen befinden.
Insgesamt sind neun Mitarbeiter im Archiv, sowie 20 Mitarbeiter in der Werkstatt beschäftigt. Bei weiteren Fragen kann man sich gern ans Archiv wenden. Immer wieder werden dort auch interessante Vorträge angeboten, die einen spannenden Einblick in die Geschichte des Landkreises Schaumburg sowie die historische alte Grafschaft Schaumburg mit Hessisch-Oldendorf und Steinhude bieten.
Foto 1: Dr. Stefan Brüdermann zeigt den interessierten Besuchern eine alte Karte von Bad Nenndorf.
Foto 2: 4,2 km Akten lagern im Archiv in Bückeburg.
Foto 3: Besonders die Herren sind begeisterte Zuhörer und Fragensteller.
Foto 4: Das „Findbuch“ im Lesesaal.
Foto 5: Viele Besucher interessieren sich für das Archiv in Bückeburg.
Foto 6: In säurefreien Umschlägen lagern die Unterlagen.
Kurz-URL: https://www.bueckeburg-lokal.de/?p=37769