„Alles weg’n de’ Leut’“
Ein Soloabend mit Walter Plathe vor ausverkauftem Saal

Bückeburg (sh-28.03.19). Der Kulturverein hat seine Veranstaltungssaison 2018/2019 im Rathaussaal mit einer Otto-Reutter-Reminiszenz ausklingen lassen, vor ausverkauftem Saal. Dass Couplets von 1900 bis 1930 noch so aktuell sein können – wer hätte das wohl gedacht? Und wenn Schauspieler Walter Plathe stets und ständig ins Publikum fragte: „Wie hat der Reutter das nur gemacht?“, so mag das rein rhetorisch gewesen sein. Denn natürlich hatte Plathe das längst herausgefunden.

Auf der Bühne über ihm zeigte die karikaturistische Strichzeichnung den wohl ersten deutschen Entertainer überhaupt: Otto Reutter, seines Zeichens Altberliner Salonhumorist. Walter Plathe, den mancher wohl noch als hübschen jungen Mann, dem keine Frau wirklich widerstehen konnte, aus DDR-Filmen kannte und später als die Verkörperung vom Landarzt, scheint dem kleinen Berliner Original, der sein komödiantisches Debüt 1899 im Berliner Wintergarten gab, heute beinahe wie aus dem Gesicht geschnitten.

Tucholsky beschrieb den Couplet-Sänger von einst zwar als „schlecht rasierten Mann mit Stielaugen, schlecht sitzendem Frack, der dämlich ins Publikum guckte und hernach leise für sich hin zu singen begann“. Doch so übel kam Plathe gar nicht daher. Gemeinsam mit Peter Buchheim, der ihn am Klavier begleitete, hat er die mitunter schneidend witzige Art.

Im dunklen Anzug lieferte er regelrecht schweißtreibenden Körpereinsatz, sang mit kräftiger Stimme, spielte gestenreich, schritt ins Publikum und pickte sich dort genau jene Typen heraus, die Otto Reutter in seinen Couplets angesprochen hatte. Man fühlte sich im Rathaussaal in jenes Berlin der „Goldenen Zwanziger“ zurückversetzt.

Und im speziellen an jenes Silvester der vorletzten Jahrhundertwende, als sich „Tausende die Friedrichstraße und unter den Linden entlang schoben“ – wie nach der Wende am Brandenburger Tor zur ersten gemeinsamen Feier nach 28 Jahren Trennung. Nur dass „damals mit Bismarck gefeiert wurde und diesmal mit der D-Mark“, so Plathe. Mit ihm stand ein Typ auf der Bühne, der sich anschickte, die Couplets von Reutter nicht nur zu präsentieren, sondern auch zu aktualisieren.

Und die menschlichen Schwächen auf solch brillante Weise vorzuführen – logisch, das funktioniert auch heute noch. Die Zwischentexte zu den einzelnen Stücken sind fast kongenial humoristisch zu den Couplets, und der famose und unglaubliche Peter Buchheim am Piano schafft es, jede Unterbrechung und Wiederholung, die Plathe einstreut (und davon gibt es wahrlich eine Menge) musikalisch umzusetzen. Das Publikum liebte ihn. Als Plathe den Überzieher sang, hatte man das Gefühl als wenn da Fachleute im Publikum saßen. Sie kannten Otto Reuter und seine Lieder genau. Ob die männlichen Zuschauer allerdings den gesungenen Tipp von Plathe bzw. Reutter mit nach Hause nahmen „Schlaf heute Nacht noch mit deiner Frau“ nun, darüber lässt sich nun rätseln.

 

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