Bürgermeister tritt Rückzug an
Alle Bäume in der Innenstadt bleiben stehen

Bückeburg (mm-22.09.22). Zu Beginn einer mit rund hundert Zuschauern gut besuchten Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt im Großen Rathaussaal hat Björn Sassenberg, Leiter des Fachbereiches Planen und Bauen, die Planungen der Verwaltung im Zeitraum vom Juli 2021 bis zum Dezember 2021 vorgetragen, die in einem Beschluss des Ausschusses im Dezember mündeten.

Diese Planungen zum Thema „Baumquartiere Lange Straße“ hätten für „einige Unruhe in der Bevölkerung“ gesorgt. Es sei richtig, dass sich die Bürger über die Gestaltung der Fußgängerzone, „das Wohnzimmer unserer Stadt“, Gedanken machen. Anlass für Verwaltung und Politik seien die Stolperkanten in der Langen Straße im Platten- und Pflasterbereich gewesen.

Die Vitalität der Bäume sei beeinträchtigt, im Grundsatz seien sie aber gesund, es gäbe einen Bedarf für eine Optimierung des Standortes. Ziele aller Maßnahmen seien die „Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Verschönerung des Stadtbildes, Schaffung von Kommunikationsraum, Artenvielfalt, Sitzgelegenheiten für Jung und Alt“. Im Dezember wurde der Beschluss gefasst, die Bäume zu erhalten.

Im Januar/Februar hat es laut Sassenberg Diskussionen in der Politik gegeben, „dass die Lebensdauer der Bäume endlich ist, die Linden wegen des Honigtaus ungünstig für Sitzgelegenheiten sind und ein Austausch der Linden erfolgen soll. Im Februar hat der Ausschuss einstimmig beschlossen, „alle Bäume auszutauschen und als Ersatz Feldahorn und Amberbaum anzupflanzen.“

Im August kam es zu weiteren kritischen Diskussionen in der Öffentlichkeit und zur Übergabe von 3.500 Unterschriften gegen das Fällen an den Bürgermeister Axel Wohlgemuth. Es kam ein Kompromissvorschlag auf den Tisch: Erhalt der Kastanie und Linde vor Hausnummer 28, Erhalt der Linden an den Cafés und Austausch der restlichen sechs Bäume in zwei Bauabschnitten.

Wohlgemuth beklagte, dass dem Bürgermeister, Verwaltung und Politik „totale Fehlleistungen“ unterstellt würden. Niemand könne seriös beantworten, wie alt Bäume werden können. Es gehe um eine Abwägungsentscheidung, was ökonomisch und ökologisch für richtig gehalten wird.

„Entscheidungen von Rat und Verwaltung müssen die Zustimmung der Bürger finden; ich spüre, dass die Menschen andere Ergebnisse wollen – eine Spaltung zwischen Rat und Verwaltung auf der einen Seite und den Bürgern auf der anderen Seite finde ich als Bürgermeister nicht richtig“, leitete Wohlgemuth seinen Rückzug ein: „Ich empfehle dem Ausschuss, die Entscheidung vom Februar zurückzunehmen und Maßnahmen zum Erhalt der Bäume durchzuführen, wie in der Variante vom Juni 2021!“

„Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, Herr Bürgermeister, was kann ich Ihnen und der Verwaltung denn noch glauben?“, wunderte sich Ratsherr Dieter Everding (SPD). Jetzt komme die fünfte Variante auf den Tisch. „Es gibt keine Vorlage, und niemand weiß, wovon Sie reden“. Everding wies darauf hin, dass einige im Juni 2021 noch nicht im Rat waren und den Sachverhalt nicht kennen können.

Mit den vielen Varianten schaffe Wohlgemuth doch nur Unruhe, „auch in unserer Fraktion“. Everding wollte zudem wissen, warum man nicht einen Experten zu Rate gezogen habe, warum nicht mal eine Baumscheibe geöffnet worden sei oder der Ausschuss nach Celle gefahren ist, um sich dort informieren zu lassen. „Herr Wohlgemuth, zählen Ihre Begründungen zum Fällen der sechs Bäume wie Schäden durch Hundeurin, Streusalz, alte Packlage B65 und Honigtau nicht mehr?“

„Ich kann mit dem Kompromissvorschlag (Austausch von sechs Bäumen) gut leben“, meinte Dieter Wilharm-Lohmann (CDU) und wich von der Empfehlung des Bürgermeisters ab. Man sollte die Fördergelder des Landes nicht verfallen lassen, sonst würden andere Städte zugreifen. „Wir wollen für die Stadt das Beste tun“, versicherte Wilharm-Lohmann.

„Die Verwaltung hat eine Super-Arbeit gemacht und der Politik alles an die Hand gegeben, dass sie gute Entscheidungen treffen kann“, meinte Hermann Kempf (CDU) und bezeichnete wie Wilharm-Lohmann den Kompromiss-Vorschlag (Austausch von sechs Bäumen) als „einzig vernünftigen Vorschlag“.

Anschließend erhielten die Bürger/innen Gelegenheit, Fragen zu stellen und Statements abzugeben. „Ich finde keine Argumente für den Austausch aller Bäume, das macht man erst, wenn einer kaputt ist“, meinte Hans-Dieter Lichtner, als sachkundiger Bürger Mitglied im Ausschuss. „Auch die Bäume wässern, nicht nur die Blumenampeln“, wurde gefordert. „Wer sitzt schon gern auf Sandsteinblöcken?“, wunderte sich Hans-Jürgen Müller und sprach sich für „bequeme, bewegliche Sitzmöglichkeiten“ aus. Die Bäume hätten alle Stressfaktoren überlebt.

Der Ausschuss hatte über zwei Anträge abzustimmen: Dieter Everding (SPD) stellte den Antrag, alle Linden zu erhalten, die Baumscheiben zu sanieren und zu Baumquartieren zu gestalten. Zudem sollten weitere Bäume angepflanzt werden, zum Beispiel vor dem „TEDi“. Er freute sich, „dass sich die SPD-Ortsvereine Bergdorf und Evesen schon im Vorfeld für den Erhalt der Bäume ausgesprochen haben.“ Everding blieb allein mit seinem Antrag. Cornelia Laasch (Grüne), Sascha Cordes, Hermann Kempf, Dieter Wilharm-Lohmann (alle CDU), Albert Brüggemann (SPD) und Maria-Christina Steijn (Linke) stimmten dann doch der Empfehlung des Bürgermeisters zu, über die heute Abend (19.30 Uhr, Großer Rathaussaal) der Stadtrat entscheiden wird.

 

 

 

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