„Europäer müssen zusammenhalten“
Neujahrsempfang der Volksbank mit Gastredner Sigmar Gabriel

Bückeburg (mm-18.01.20). Im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Volksbank in Schaumburg, der Kreishandwerkerschaft und des Steuerberater-Ortsverbands Schaumburg im Rathaussaal stand der Auftritt des Gastredners Sigmar Gabriel (60), Vizekanzler (2013-2018), Außenminister (2017/18), Niedersächsischer Ministerpräsident (1999-2003) und Bundesvorsitzender der SPD (2009-2017). Gabriel schilderte in seinem kenntnisreichen Vortrag, wie sich die Machtachsen der Welt verschieben und welche Folge das für Deutschland und Europa hat.

Joachim Schorling, Vorstandsmitglied der Volksbank in Schaumburg, hatte zuvor 300 Gäste zum 10. Neujahrsempfang begrüßen können. „Wir sind mit dem vorläufigen Ergebnis des Jahres 2019 sehr zufrieden“, stellte Schorling fest. Die Bilanzsumme sei bis Ende 2019 auf knapp 2 Milliarden Euro angewachsen, eine Steigerung um 11 Prozent.

Die Volksbank zahle 8,3 Millionen Euro Steuern, davon 3,9 Millionen Euro Gewerbesteuer an die örtlichen Kommunen. Schorling kündigte an, „dass die Volksbank weiter in Schaumburg investieren“ wird. Er dankte der Landkreisverwaltung mit Landrat Jörg Farr an der Spitze dafür, dass es gelungen sei, „Wasserstoffregion“ zu werden. Damit werde eine Menge an Fördergeldern nach Schaumburg gespült. „Die Zinsen bleiben für einen längeren Zeitraum auf niedrigem Niveau; es ist keine Trendwende zu erkennen“. Schorling sagte zu, dass die Volksbank in Schaumburg „bis auf Weiteres keine Minuszinsen einführen wird“.

Kreishandwerksmeister Dieter Ahrens berichtete, „dass es dem Handwerk gut geht und auch für 2020 die Auftragsbücher gefüllt sind“. Als große Erfolge für das Handwerk bezeichnete Ahrens die erneute Einführung der Meisterpflicht in manchen Gewerken und die Gründung einer Energieagentur in Schaumburg. Die größte Freude habe ihm die Tatsache bereitet, „dass 2019 so viele junge Leute für die Handwerksausbildung begeistert“ werden konnten.

„Die Grenzen des Wahnsinns sind erreicht“, stellte Gerald Siegmann, Vorsitzender des Steuerberater-Ortsverbandes Schaumburg, fest. Er gab einen teils amüsanten, überwiegend aber ernsten Einblick in die fortschreitende Bürokratisierung. Die Einführung der Bonpflicht beispielsweise für Bäcker sei der nunmehr für alle sichtbare kleine Teil des riesigen Bürokratiemonsters.

„Ich bin seit 15 Jahren Kunde der Volksbank, das ist der einzige Ort in Deutschland, wo man in Ruhe Genosse sein kann“, witzelte Sigmar Gabriel zu Beginn seiner Rede. Es folgte ein hochinteressanter Vortrag zum Thema: „Zeitenwende in der Weltpolitik – die neue Rolle Deutschlands“. Gabriel ist sich sicher, dass das vor uns liegende Jahrzehnt nicht mit den 1920er Jahren zu vergleichen sind. „75 Jahre Frieden liegen hinter uns in Westeuropa, alles ist viel stabiler, es gibt wesentlich mehr Demokraten; wir haben den längsten Wirtschaftsaufschwung in Deutschland hinter uns mit einer hohen Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen“.

Gabriel forderte die Verantwortlichen auf, „mehr in Forschung und Technologie zu investieren“. Die nächsten zehn Jahre würden entscheiden, ob wir den erarbeiteten Wohlstand halten könnten oder Schwierigkeiten bekommen. Das wirtschaftliche Gravitationszentrum werde nicht länger Europa, sondern China und auch Indien sein.

„Der Weltpolizist USA geht jetzt nach Hause“, so Gabriel. Die Amerikaner hätten in der Vergangenheit mit Geld, Risiken und Toten bezahlt. China, nicht Russland, sei der Konkurrent für die USA. Obama habe das Vakuum nach dem Rückzug der USA mit Verträgen füllen wollen. Für Trump sei die Welt dagegen eine Arena, „der Stärkere setzt sich durch, wer hilft, ist heute Partner, kann morgen Gegner sein“.

Deutschland wolle sich am liebsten nicht einmischen, sich neutral gegenüber den USA, Russland und auch neutral gegenüber China verhalten. „So denken Rentner und Pensionäre, die ihr Leben genießen wollen- wir sind die letzten Vegetarier in einer Welt der Fleischfresser“, so der frühere Außenminister kritisch.

„China und die USA werden die Welt regieren“, glaubt Gabriel. China sei zwar eine Diktatur, aber auch ein wichtiger Handelspartner. „Die Europäer müssen zusammenhalten und wieder gemeinschaftlich auftreten, Deutschland hat dabei eine besondere Aufgabe, ist als Export-Weltmeister auch der große Gewinner – wir müssen in Europa investieren“, so der ehemalige Vizekanzler abschließend.

Nach dem Ende des offiziellen Teils waren viele Gesprächspartner überzeugt davon, dass dieser Mann zu früh aus der ersten Reihe der Politik verabschiedet wurde, die Nachfolger in Berlin und in der Partei dagegen blass bleiben.

Foto 1: Joachim Schorling (v.re.), Sigmar Gabriel, Gerald Siegmann und Dieter Ahrens

Foto 2: Joachim Schorling (v.li.), Sigmar Gabriel und Landrat Jörg Farr

Foto 3: Joachim Schorling: „Die Zinsen bleiben noch länger auf niedrigem Niveau“.

Foto 4: Dieter Ahrens: „Über 80 Prozent der Handwerker sind im Hinblick auf das neue Jahr positiv gestimmt“.

Foto 5: Gerald Siegmann: „Es ist ein Wunder, dass es trotz der unzähligen Regelungen und Gesetze noch relativ rund läuft“.

Foto 6: Sigmar Gabriel: „China und die USA werden die Welt regieren“.

Foto 7: 300 Gäste folgen im Rathaussaal gespannt dem Vortrag des Gastredners Sigmar Gabriel.

Kurz-URL: https://www.bueckeburg-lokal.de/?p=51118

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