„Ohne Transparenz keine Handelsverträge“Bernd Lange (MdEP) spricht über TTIP
Bückeburg (mm-18.10.15). Selten ist in den letzten Jahren ein politisches Thema so kontrovers diskutiert worden wie die Verhandlungen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) über einen Handels- und Investitionsvertrag. So waren etwa 50 Interessenten am Freitagabend der Einladung des SPD-Ortsvereins Bückeburg gefolgt, um im Le-Theule-Saal des Rathauses Informationen aus erster Hand vom SPD Europaabgeordneten Bernd Lange (60) aus Burgdorf zu erfahren. Lange ist Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament.
Mit einem Abkommen zwischen den beiden weltweit größten Wirtschaftsblöcken bietet sich die Gelegenheit, Standards und Regeln festzulegen, die auch für Drittländer vorteilhaft sein könnten. Das Bruttoinlandsprodukt der EU ist stark Handels- und exportabhängig, so dass sich ein Abkommen mit den USA positiv auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum auswirken könnte. Kleinstunternehmen erhielten einen leichteren Zugang zu den Märkten. „Es geht um die Interessen der Menschen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ich versuche das auszuhandeln wegen der Notwendigkeit, Regeln für eine globale Wirtschaft aufzustellen“, erläutert Lange.
Inzwischen habe man, so Bernd Lange, für ein Mehr an Transparenz gesorgt und das Verhandlungsmandat in 24 Amtssprachen veröffentlicht. Bei Beirat mit Gewerkschaften und Umweltverbänden sei eingerichtet worden. Wenn Artikel in den USA entwickelt, in China zusammengebaut und in Deutschland verkauft würden, gebe es eine „globale Wertschöpfungskette“.
„Ohne Transparenz wird es keine Handelsverträge geben“, so Lange deutlich. Zwei Jahre lang sei nun geredet worden, in denen die Europäer ihre Position deutlich gemacht haben – die USA hätten sich nicht bewegt. Das Europäische Parlament hat am 8. Juli klare europäische Positionen festgeschrieben. So gelten in Europa („mit Ausnahmen in Bayern“) klare Regeln zur Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen.
In den USA existiert dagegen seit 1933 ein „Buy-America-Act“, der die Regierung verpflichtet, in den USA hergestellte Produkte bei ihren Käufen zu bevorzugen, ein typischer Fall für „Marktabschottung“. Zudem hat die Regierung in den USA nur Zugriff auf einen begrenzten Bereich; die meisten Entscheidungen fallen in den Bundesstaaten, die wesentlicher autonomer sind als die europäischen Mitgliedsstaaten. „Dies ist ein großer Stolperstein, der das Abkommen verhindern kann“, glaubt Lange.
Der EU-Abgeordnete der SPD betont, „dass bestimmte Bereiche nichts in einem Handelsabkommen zu suchen haben“ und nennt beispielsweise die Daseinsvorsorge, Wasserversorgung, Bildung und kulturelle Vielfalt in Europa. Kompromisse könne es bei den Zöllen geben, aber nicht bei den Standards! „Als Sozialdemokrat ist es für mich wichtig, Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards in die Verhandlungen mit einzubringen“, erläutert Bernd Lange. In den USA lasse sich zwar ein Verbot von Kinder-, Sklaven- und Zwangsarbeit durchsetzen, nicht aber kollektive Arbeitnehmerrechte wie das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Insbesondere die Südstaaten verhinderten eine Vereinbarung. IKEA würde in den USA damit werben, ein gewerkschaftsfreies Unternehmen zu sein.
Mit privaten Schiedsstellen („mit eigenen finanziellen Interessen“) kann sich Bernd Lange nicht anfreunden. „Klagen nur bei Diskriminierung, ein Gericht mit Richtern, einem transparenten Verfahren und der Möglichkeit der Revision – das könnte der Weg sein“, so der EU-Abgeordnete der SPD. Wegen der noch vielen ungeklärten Fragen und der Präsidentschaftswahlen in den USA rechnet Bernd Lange mit einem Abschluss der Verhandlungen über TTIP frühestens im Dezember 2016.
Foto 1: Bernd Lange
Foto 2: Großes Interesse am Vortrag über TTIP
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