„Systemfehler“: Klinikum fehlen 16 Millionen Euro Verhandlungen zwischen Agaplesion und Landkreis über 8 Millionen Euro
Obernkirchen (mm-07.05.22). Während einer Gesellschafter-versammlung, die aus Vertretern der Agaplesion gAG (60 Prozent der Gesellschafteranteile), der Stiftung Krankenhaus Bethel (30 Prozent) und dem Landkreis Schaumburg (10 Prozent) besteht, wurde das Ergebnis für 2021 offiziell festgestellt. Der Jahresfehlbetrag für 2021 liegt bei knapp 2,7 Millionen Euro. Der Verlust konnte dank eines Darlehens von Agaplesion in Höhe von etwa 3 Millionen Euro so eingegrenzt werden.
Das kumulierte Ergebnis für die Jahre 2018 bis 2021 weist einen Verlust von 27,6 Millionen Euro aus. „Nachdem im Jahr 2020 noch ein weiterer Schritt in Richtung der wirtschaftlichen Konsolidierung gelungen war, konnte das Klinikum im Jahr 2021 seine wirtschaftlichen Ziele, ein ausgeglichenes Ergebnis, unter diesen Rahmenbedingungen nicht erreichen“, erläuterte Geschäftsführer Marko Ellerhoff. So mussten nicht dringend medizinisch notwendige Eingriffe zurückgestellt werden. „Corona hat richtig weh getan, die Fallzahlen sind hier um 11 Prozent, bundesweit um 19 Prozent, zurückgegangen“, so Jörg Marx, Vorstand der Agaplesion gAG.
Mit Ausgleichszahlungen aus dem Corona-Rettungsschirm sollten finanzielle Schieflagen der Krankenhäuser in Deutschland verhindert werden. „Durch die Corona-Pandemie ist die Krankenhausfinanzierung jedoch noch komplexer geworden; gerade Krankenhäuser, die sich in einer Wachstumsphase befinden, werden finanziell benachteiligt“, erklärte Marx.
So habe das Klinikum Schaumburg, verdeutlichte Ellerhoff, für die Jahre 2020 bis 2022 10,2 Millionen Euro aus dem sogenannten Rettungsschirm erhalten, von denen 3,1 Millionen Euro zurückzuzahlen sind. Auf weitere 4,6 Millionen Euro belaufen sich entgangene Zahlungen, weil die positive Leistungsentwicklung nicht berücksichtigt wurde.
„Hätte man Vergleichsjahr nicht 2019, sondern 2020 genommen, hätten wir rund 5 Millionen Euro mehr erhalten“, so Ellerhoff. „Eine bundeseinheitliche Regelung ohne Ausnahmen, Krankenhäuser im Wachstum werden benachteiligt, während andere von Ausgleichszahlungen profitieren.“
Eine weitere „Wachstumsbremse“ ist der „Fixkosten-degressionsabschlag“ (FDA). Er ist seit 2017 anzuwenden und kommt zum Tragen, wenn Krankenhäuser und Krankenkassen ein wachsendes Leistungsvolumen vereinbaren. Dann fällt der Abschlag auf die Vergütung jener Leistungen an, die über dem bisherigen, vereinbarten Volumen liegen. Die Erlöse werden also entsprechend gekürzt. Der „Zwangsrabatt“ für zusätzlich vereinbarte Leistungen liegt inzwischen festgeschrieben bei 35 Prozent für drei Jahre. „Für das Klinikum Schaumburg bedeutet diese Regelung für die Jahre 2022 bis 2025 Einnahmenverluste von etwa 8 Millionen Euro.
„Diese Gesamtlage führt zu einer sehr angespannten wirtschaftlichen Situation und schränkt die zukünftigen Entwicklungsperspektiven des Klinikums stark ein“, so die beiden Geschäftsführer Diana Fortmann und Marko Ellerhoff während einer Pressekonferenz. Jörg Marx betonte, dass Agaplesion als Hauptgesellschafter in den zurückliegenden Geschäftsjahren finanzielle Unterstützungen in Höhe von mehreren Millionen Euro geleistet habe. Zwischen den Gesellschaftern und in den politischen Gremien wird derzeit beraten, ob und wie eine finanzielle Unterstützung des Klinikums gestaltet werden kann.
„Wir stehen in vollem Umfang zum Projekt und vertrauen in Geschäftsführung und Mitarbeiter“, meinten Bernd Hellmann und Dr. Axel Rinne vom Vorstand der Bethel-Stiftung. Geld sei aber vom zweitgrößten Gesellschafter nicht zu erwarten. Die Stiftung sei gemeinnützig und erziele keine Einnahmen. Zudem habe man „seinen Anteil eingebracht und zudem seinerzeit einen Defizitausgleich in Höhe von knapp 4 Millionen Euro geleistet.“
Landrat Jörg Farr bestätigte Verhandlungen mit Agaplesion über Zahlungen in Höhe von 8 Millionen Euro. In den politischen Gremien werde dies zurzeit diskutiert. Es gäbe, so Farr, noch keine Ergebnisse und Trends. Für die Gesellschafter bestehe keine Nachschusspflicht, so dass es sich um eine freiwillige Leistung handeln würde. Eine Entscheidung könnte auf der Sitzung des Kreistages im Juli fallen. Der Landrat betonte, dass das Klinikum die stationäre und ambulante medizinische Versorgung im Landkreis verlässlich sicherstellt. „Die Gesundheitsversorgung in Schaumburg darf nicht leiden!“
Das Klinikum hat trotz der vielfältigen strukturellen und pandemiebedingten Herausforderungen eine positive Entwicklung geschafft. Am 26. Juni 2021 konnte der 100.000ste Patient in der Zentralen Notaufnahme behandelt werden. Die Personalentwicklung im Pflegedienst ist seit 2019 jährlich um weitere etwa 30 Kräfte gestiegen. Die 437 Planbetten sind nicht alle im Betrieb. Im Jahr 2020, vor der Pandemie, waren 377, aktuell 320 Betten belegt.
2020 wurden 165 Covid-Patienten versorgt, 2021 waren es 325 und im ersten Quartal 2022 bereits 169. Die Tendenz ist seit April aber abnehmend und sorgt für Entspannung. Dank und Respekt zollte Diana Fortmann den Mitarbeitern. „An den alten Standorten hätten wir die Herausforderungen der Pandemie nicht meistern können“, betonte die Geschäftsführerin. Unabhängig von den wirtschaftlichen Aspekten sei das Klinikum insgesamt gut durch die Pandemie gekommen. „Wir konnten zu jeder Zeit die Versorgung der Schaumburger Bevölkerung sicherstellen und der Versorgung der Patienten im Jahr 2021 sogar noch ausweiten.“
Foto 1: Jörg Farr (v.li.), Marko Ellerhoff, Diana Fortmann, Jörg Marx, Dr. Axel Rinne und Bernd Hellmann
Foto 2: Landrat Jörg Farr
Foto 3: Die beiden Vorstände der Bethel-Stiftung, Bernd Hellmann (l.) und Dr. Axel Rinne während der Pressekonferenz
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